Samstag, 15. Februar 2020

» Die Schamanin ; R. F. Kuang (Im Zeichen der Mohnblüte #1)

"Rin ist ein einfaches Waisenmädchen, das im Süden des Kaiserreichs Nikan lebt. Ihre Adoptiveltern
benutzen sie als billige Arbeitskraft, und um sie herum gibt es nur Armut, Drogensucht und Ödnis. Um diesem Leben zu entfliehen, setzt sie alles daran, um an der Eliteakademie von Sinegard
aufgenommen zu werden. Doch auch dort wird Rin wegen ihrer Herkunft verspottet und ausgegrenzt. Da bricht ein Krieg gegen das Nachbarreich aus. Rin muss nun kämpfen und entdeckt dabei, dass ihre Welt nie so einfach war, wie sie geglaubt hatte – und dass sie zu viel mehr in der Lage ist, als sie selbst je für möglich gehalten hätte."

Die Geschichte

Für Rin, die als Waisenkind von ihrer Adoptivfamilie in einer Provinzstadt nur als Arbeitskraft verbraucht wird, ist das Keju der einzige Ausweg aus einem Leben, in dem sie zum Vorteil ihrer Zieheltern verheiratet werden soll: Die Prüfung, die darüber entscheidet, welche Kinder in Nikan eine echte Ausbildung bekommen. Und für Rin ist klar: Einzig die höchste Schule des Landes, die Militärakademie Sinegard, die kein Schulgeld verlangt, ist eine Option für sie - auch wenn sie dafür zu den Besten in Nikan gehören muss.
Mit einer unfassbaren Willensleistung schafft Rin es tatsächlich nach Sinegard, wo sie jedoch ein noch viel größeres Lernpensum erwartet - ebenso wie Mitschüler, die sie für ihre bäuerliche Herkunft ausgrenzen. Rin jedoch geht niemals den einfachsten Weg: Sie lernt, sie arbeitet, sie ordnet alles dem Ziel unter, das erste Jahr an der Akademie zu schaffen und von einem der Lehrer ausgewählt zu werden, denn nur dann wird sie in Sinegard bleiben können - und ihrer Heimat und dem Schicksal dort wirklich entkommen können.

Dann ist es jedoch die Kriegserklärung der Nachbarregion Mugen, die nach dem vergangenen Mohnkrieg, in dem Nikan dank Unterstützung von außen siegen konnte (oder zumindest überlebt hat), nun auf einen einzigartigen Rachefeldzug gehen. Und so findet sich Rin plötzlich, statt sich über Jahre auf ihren Einsatz als Soldatin ihres Landes vorzubereiten, mitten in der 13. Division ihres Landes wieder: Den gefährlichen Cike. Denn Rin hat an der Akademie den Weg der Kultlehre gewählt, die sie in Verbindung zum Pantheon gebracht hat, in Verbindung zum Phoenix-Gott, der Rin eine einzigartige Macht verleihen kann - und sie ebenso gut vernichten. In Zeiten des Krieges gibt es jedoch manchmal ganz andere Fragen, die man sich selbst stellen muss - und so viel Grausames, das man überstehen muss. 

Die Bewertung

Der Auftakt von R. F. Kuangs Reihe ist atemberaubend und - schmerzhaft. Ich kann dieses Buch einfach nicht schön nennen, denn tatsächlich tut es weh, zuzusehen, wie Nikan im Krieg gegen die Förderation blutet - und wie Rin sich im Verlauf verändert. Dies ist, wie die Autorin selbst sagt, in allererster Linie eine Geschichte über Krieg: So grausam und brutal, wie Kriege eben sind. Völkermord, Rachedurst, Drogenmissbrauch - all das findet Platz in diesem Werk und so gibt es zahlreiche Momente, in denen ich eigentlich nicht weiterlesen wollte, weil die Bilder in meinem Kopf zu viel wurden.
Die Welt, die von R. F. Kuang geschaffen wird, ist fantastisch, gefährlich, brutal und in einem Sinne "episch", als dass es nicht nur ein Buch ist, dass ich so noch nie gelesen habe, sondern es eben auch von einem Reich, das zerbricht, erzählt, dunkel und atemberaubend.
Warum ich sage, dass es schmerzhaft ist? Neben der beschriebenen Grausamkeiten eines furchtbaren, entmenschlichten Krieges, sieht der Leser Rin dabei zu, wie sie Pfaden folgt, die falsch wirken: Falsch, solange man sich auf dem Sofa eingekuschelt hat und in Sicherheit ist, vielleicht aber gar nicht so falsch, wenn man sich in einem ausweglosen Krieg befindet. Das Buch spielt mit der Auslegung von Moral, von Gut und Böse, Richtig und Falsch, es stellt Fragen, die man sich nie stellen musste, und findet Antworten, bei denen einem das Herz schmerzt.
Meine Reaktion auf das Ende des Buches ist mehr als ambivalent: Am liebsten möchte ich keinen Gedanken mehr an die Geschichte verschwenden und auch das zweite Buch nicht in die Hand nehmen (aus Angst vor dem Schmerz und der Grausamkeit), auf der anderen Seite bin ich voll Bewunderung für die Kraft dieser Geschichte und die geschaffene Welt.


4,5 von 5 Punkte