Donnerstag, 31. August 2017

» Im Zelt: Von einem, der auszog, um draußen zu schlafen ; Wigald Boning

"Zelten – da denkt man an Sommerurlaub, romantische Abende am See, an Lagerfeuer, Luftmatratzen und Grillwürstchen. Vielleicht noch an Mücken. Was aber, wenn das Zelt zum Schlafplatz im Alltag wird? Und zwar über Herbst und Winter hinweg, bei Wind und Wetter, über 200 Nächte am Stück? Wigald Boning probiert es aus. Er sagt Matratze und Federbett ade und schläft draußen: auf Campingplätzen und in Flussbetten, auf Häuserdächern und Balkonen, am Strand und auf Parkbänken. Was er dabei erlebt und welcher Traum dabei in Erfüllung geht, erzählt er in diesem Buch."

Die Geschichte

Im Sommer 2015, der (nicht nur) in München außerordentlich heiß war, beschloss Wigald Boning das erste Mal, unter freiem Himmel zu übernachten. Sehr kurzentschlossen übernachtete er nahe der Isar auf einer kleinen Insel, bald Boning-Insel getauft. Aus dieser Idee entstand ein Projekt, in dem der Schauspieler, Komiker und Sportler mehrere Monate lang draußen schlief.
Wigald Boning beschreibt in seinem Buch nicht nur skurrile und abenteuerliche Ereignisse an den verschiedensten Orten der Welt, er beschreibt auch die Ausrüstung, die Probleme und philosophiert darüber, wie man auf so etwas kommt - und wie man dann mit so einem Plan umgeht.

Die Bewertung

Mit sehr intelligenten und vor allem unterhaltsamen Texten unterhält Wigald Boning mit seinen Zelt-Abenteuern. Für jemanden, der es ihm gern nachmachen würde, hat er Tipps und Tricks parat, er berichtet aber auch von Schwierigkeiten, besonderen Momenten und vor allem den Begegnungen - auf Campingplätzen, in der freien Natur, an besonderen Stätten (wie dem Stadion von Werder Bremen). Daneben berichtet er von den vielfältigen Reaktionen, mit denen er sich konfrontiert sah (angefangen über Fragen zur Kälte, zur Hygiene und zum großen "Warum?"). Außerdem nimmt er den Leser mit auf eine Reise durch den Alltag eines (selbst betitelten) B-Prominenten: Fernsehsendungen, Auftritte des eigenen Programms, sportlicher Alltag und spontane Reisen (nach denen man selbst unbedingt losreisen möchte zu den Shetland Inseln).
Wigald Bonings Buch ist kurzweilig und interessant, gespickt mit dem Humor, den man von ihm aus dem Fernsehen längst kennt.
Meine heimlichen Highlights fußen im Übrigen auf Erinnerungen an die Sendung "Genial daneben", denn Herr Boning benutzt im Zelt beispielsweise einen Reichweitenverlängerer, den es in der Sendung einst zu erraten galt: Vornehmlich für Piloten zur Aufbewahrung des Urins auf langen Reisen...

4,5 von 5 Punkten

Mittwoch, 30. August 2017

» Der Schatten des Windes ; Carlos Ruiz Zafón

"Daniel Semperes Leben im grauen Barcelona der Nachkriegszeit erfährt eine drastische Wende, als er die Schicksalsbahn eines geheimnisvollen Buches kreuzt. Er gerät in ein Labyrinth abenteuerlich verknüpfter Lebensläufe, und es ist, als wiederhole sich vergangene Geschichte in seinem eigenen Leben. Die Menschen, denen er bei seiner Suche nach dem verschollenen Autor begegnet, die Frauen, in die er sich verliebt - sie alle scheinen Figuren in einem grossen Spiel, dessen Fäden erst ganz am Schluss sichtbar werden."

Die Geschichte

1945 wird Daniel Sempere von seinem Vater zum Friedhof der vergessenen Bücher geführt, nachdem er nachts aufwachte und das Gesicht seiner verstorbenen Mutter vergessen hatte. An diesem seltsamen Ort entdeckt Daniel das Buch "Der Schatten des Windes" des Autors Julián Carax, das den 10-jährigen sogleich fesselt und nicht mehr loslässt. Doch es ist nicht einfach nur ein Buch. Daniel, der in einer Buchhandlung lebt und aufgewachsen ist, will mehr von diesem unbekannten Autoren lesen und gerät so in den Strudel der Geschehnisse rund um die verlorenen Bücher des Julián Carax - und mitten hinein in die Gefahr. Wer war dieser Autor? Wer ist die Person, die überall in Buchhandlungen und Bibliotheken einbricht, um die letzten Exemplare der Geschichten in Brand zu setzen und zu vernichten?
Daniels Suche erstreckt sich über Jahre, und manchmal durch Zufall, schließlich jedoch durch gezielte Recherche kommt er Stückchen für Stückchen hinter das große Geheimnis um Julián Carax. Doch im Nachkriegs-Spanien ist nie sicher, wem der junge Mann vertrauen kann.

Die Bewertung

Es ist das erste Buch von Carlos Ruiz Zafón, das ich gelesen habe, und schon während der ersten Seiten fragte ich mich, wie es dazu kommen konnte, dass ich so lange gewartet habe. Das Schlimmste: Halb hatte ich vor, das Buch ungelesen zurück in die Bücherei zu geben - was wäre das für eine Schande gewesen!
Carlos Ruiz Zafóns Schreibstil fesselt von der ersten Seite hinweg in bildgewaltiger, metaphorischer, kluger und ironischer Sprache. Auch wenn ich zuerst nicht richtig wusste, aus welchem Genre das Buch eigentlich stammt, fiel es schwer, es aus der Hand zu legen. Normalerweise habe ich eine instinktive und eigentlich nicht zu erklärende Scheu vor Büchern mit geschichtlichem Hintergrund, aber man muss sich mit der spanischen Geschichte nicht gut auskennen, um mitgerissen zu werden - sie bettet die Geschichte einfach nur ein.
Aus der Perspektive von Daniel Sempere verfolgt der Leser von 1945 an über elf Jahre den Weg des Jungen zur Wahrheit - er kommt von Julián Carax und dem Rätsel um ihn nicht los, wird dabei erwachsen und entwickelt sich. Hinter der Geschichte von Daniel wird die tragische Geschichte von Julián Carax selbst erzählt, bis am Ende des Buchs beinahe alles offenbart ist, und man als Leser mit diesem Gefühl der Zufriedenheit und gleichzeitigen Leere zurückbleibt, wenn ein Meisterwerk zu Ende gelesen wurde. Die Figuren rund um Daniel auf seiner Suche sind wunderbar beschrieben und herausgearbeitet, sie haben Charakter und Einzigartigkeit. Mit am schönsten ist die Sprache Zafóns, sie fesselt einen ebenso sehr wie Daniel Sempere vom Roman im Roman gefesselt wurde. Fein gewoben hat der Autor das Mysterium und bis zum Ende wird der Leser überrascht, was einfach eine Kunst ist. Höchster Lesegenuss und daher

mindestens 5 von 5 Punkten!

Montag, 14. August 2017

» Die Diagnose: Wenn Ärzte zu Detektiven werden - rätselhafte Krankheiten und ihre Ursachen ; Anika Geisler (Hrsg.)


"Eine Schlange im Bauch, ein Zahnstocher in der Leber, ein Ballon in der Luftröhre: Manchmal verbergen sich hinter quälenden medizinischen Beschwerden bizarre Erklärungen. Jede Woche berichten Ärzte im Magazin stern von ihren außergewöhnlichsten Fällen. Die Rubrik »Die Diagnose« gehört zu den beliebtesten Seiten der Zeitschrift. Erstmals zusammengefasst in einem Buch erzählen Mediziner von Patienten, die an rätselhaften Symptomen leiden und deren ungewöhnliche Krankengeschichten dank akribischer Detektivarbeit zu einer überraschenden Auflösung kommen."

Die Geschichte

Anika Geisler sammelt in diesem Band die Berichte verschiedenster Ärzte zu mysteriösen Krankheitsgeschichten und der Weg der Mediziner zur Erkenntnis. Dabei geht es des Öfteren über völlig kuriose Symptome, von denen die Patienten gequält werden, bis hin zu Krankheitsbildern, die auf den ersten Blick eindeutig sind, dann aber zu einer Odyssee führen, wenn es doch nicht ganz so eindeutig ist und erst der richtige Behandlungsweg gefunden werden muss.
In diesem Buch werden die verschiedenen Berichte zusammengetragen, die sonst vom Stern in der Rubrik "Die Diagnose" publiziert werden, sodass man einen interessanten Einblick in die Welt der Mediziner erhält, die man sonst nur von der anderen Seite kennt - und hoffentlich auch nie aus einer so mysteriösen Perspektive.

Die Bewertung

Anika Geisler und andere Autoren haben die Berichte von Medizinern aufgenommen und zusammengetragen. Jeder Bericht ist nur etwa drei Seiten lang, er wird mit einer kurzen Zusammenfassung eingeleitet.
Leider habe ich nach wenigen Berichten aufgehört, diese einführenden Zeilen zu lesen, da sie teilweise irreführend waren und zudem einen gewissen Überraschungseffekt genommen haben.
Zudem waren die Berichte aufgrund ihrer Kürze und der Tatsache, dass sie von Medizinern geschrieben wurden, auch recht nüchtern. Interessant und spannend war es natürlich trotzdem, aber ein bisschen medizinisches Hintergrundwissen wäre in vielen Fällen hilfreich gewesen, um zu verstehen, was genau im Sachverhalt so interessant/kompliziert/erstaunlich/mysteriös gewesen ist. So bleiben am Ende viele kurze Berichte, die auch durchaus kurzweilig waren, aber für jemanden, der im medizinischen Bereich kaum Ahnung hat, war es irgendwann zu viel an Information für eine schöne Lese-Runde.

3 von 5 Punkten

Mittwoch, 9. August 2017

» Legenden der Schattenjäger-Akademie ; Cassandra Clare


"Ohne Erinnerungen muss Simon erneut herausfinden, wer er eigentlich ist. Hat er das Zeug zum Dämonen bekämpfenden Helden - wie ihm seine früheren Freunde Clary und Jace erzählen? Oder ist er doch der bleiche Comicfan, der nicht einmal die Kraft hat, eine Waffe der Nephilim richtig in der Hand zu führen? Und dann gibt es noch Isabelle, an deren Liebe er sich nicht erinnern kann, obwohl es in seinem Bauch kribbelt, immer wenn er an sie denkt. War er wirklich mit diesem tollen Mädchen zusammen, und wenn ja, wie hat er das nur angestellt?"

Die Geschichte


Simon Lewis, ehemaliger Vampir und "Tageslichtler", einer der großen Helden des Krieges. Bloß kann Simon sich daran nicht erinnern, immerhin ist er unter anderem deshalb zum Helden geworden, weil er sich geopfert hat für seine Freunde. Daher der Gedächtnisverlust. Und obwohl Magnus Bane, der große Hexenmeister von New York, schon ein paar Erinnerungen wieder ausgegraben hat, fällt es Simon dennoch schwer, sich wieder in sein Leben einzufinden - unter den immer wieder enttäuschten Blicken seiner Freunde, wenn sie von gemeinsamen Erlebnissen erzählen und er nichts davon weiß. Da ist ja beispielsweise die umwerfende Isabelle, die angeblich seine Freundin gewesen ist. Liebt sie denn wirklich ihn oder diesen anderen, heldenhaften Simon?
Weil die Reihen der Schattenjäger durch den Krieg jedoch so dezimiert sind, wird die legendäre Schattenjäger-Akademie wieder eröffnet: den Kindern der Nephilim für eine exzellente Ausbildung und Sterblichen, damit sie am Ende der Ausbildung aus dem Kelch der Engel trinken können, um zu aszendieren: Um echte Schattenjäger zu werden.
Für Simon ist es die Chance, seine Erinnerungen zurück zu bekommen und vielleicht wieder zu der Person zu werden, die alle in ihm sehen. Doch er begegnet an der Akademie auch vielen Widerständen, denn die Nephilim sind gegenüber Sterblichen und Schattenweltlern (und dass er ein Vampir war, weiß Simon ja) nicht gerade aufgeschlossen.
In zehn Geschichten wird Simons Weg zum Schattenjäger beschrieben - und daneben auch über viele andere bekannte Personen des Schattenjäger-Universums erzählt.

Die Bewertung

Nach sechs Büchern über Clary und ihren Weg in die Welt der Schattenjäger, den Kampf gegen Valentin und Sebastian Morgenstern und ihre Liebe zu Jace, kommt jetzt mit zehn Kurzgeschichten der Moment, in dem ihr bester Freund Simon in den Mittelpunkt rückt. Selbstironisch, witzig, und sehr irdisch erzählen die Geschichten von seiner Zeit an der Schattenjäger-Akademie. Das alles wäre schön und gut und sicherlich sehr kurzweilig. Es würde jedoch keine 800 Seiten rechtfertigen.
Was das Buch zu einem Bonbon der Schattenjäger-Welt von Cassandra Clare macht, die ja nicht müde wird, in dieser immer neue Geschichten zu spinnen, sind die vielen Momente mit altbekannten Gesichtern, über die man ganz Neues erfährt (beispielsweise Tessa, Jem und Will aus den "Chroniken der Schattenjäger") oder Figuren, die erst noch große Rollen spielen werden (die Blackthorns aus "Lady Midnight"). Obwohl Simon fernab seiner Freunde in Idris lernt, ein Schattenjäger zu sein, kommen auch die Lightwoods, Clary und Jace nicht zu kurz, und man wird die ganzen Zeit das Gefühl nicht los, dass einige Figuren vielleicht noch einmal eine größere Rolle spielen werden.
Insgesamt bleibt das Buch natürlich dennoch kurzweilig und unterhaltsam, und erhält dafür

5 von 5 Punkten.

Dienstag, 8. August 2017

» Gray ; Leonie Swann

"Dr. Augustus Huff, Dozent an der berühmten Universität von Cambridge, hat plötzlich ein Problem: einer seiner Studenten ist in den Tod gestürzt. Nur ein tragischer Unfall oder Mord? Augustus vermutet Letzteres, denn das Opfer war alles andere als ein Engel. Ein Mörder im Elfenbeinturm – das darf nicht sein, und so macht sich Augustus, unterstützt von Gray, dem Graupapageien des Verstorbenen, auf die Suche nach dem Täter. Der Vogel erweist sich aber als vorlautes Federvieh, und zuerst stolpert Augustus von einem Fettnäpfchen in das nächste. Doch schon bald ist es Gray, der die richtigen Fragen stellt und Augustus begreift: nur gemeinsam können sie es schaffen, diese harte Nuss von einem Fall zu knacken."

Die Geschichte

Es ist Prüfungszeit in Cambridge und das größte Problem, dass Dr. Augustus Huff gerade vor sich hat, ist die verflixte achte Seite seines Aufsatzes. Acht ist keine gute Zahl.
Dann jedoch kommt ein Schüler zu Tode, dessen Tutor Augustus war, und der scheue Dozent, der sich eigentlich von den meisten Menschen lieber fern hält (schon allein, weil sein Ordnungstick und seine anderen "Marotten" immer skeptisch beäugt werden), scheint als einziger zu hinterfragen, ob dies wirklich ein Unfall gewesen ist: Elliot Fairbanks war ein geübter Kletterer. Wäre er wirklich einfach so abgestürzt?
Ehe sich Augustus versieht, beginnt er zu ermitteln - und zu allem Überfluss auch noch mit dem Graupapageien Gray auf der Schulter. Der Vogel des Verstorbenen, der ein ungewöhnliches Sprachvermögen hat, bringt ihn schnell von einem Fettnäpfchen ins andere, was für einen Menschen wie Augustus schwer zu ertragen ist. Dennoch: Dieser Fall ist unordentlich, und Augustus kann Unordnung nicht leiden. Er geht der Sache mit einem vorlauten, anhänglichen Papageien auf die Spur...

Die Bewertung

Leonie Swanns Schafskrimis habe ich bereits vor einigen Jahren gelesen und ihre Originalität geliebt. Jetzt habe ich ihren neuesten Krimi bekommen, der auch dieses Mal nicht auf tierische Unterstützung verzichtet. Dieses Mal ermittelt jedoch ein Mensch (ein außerordentlich schräger und zugleich sehr sympathischer noch dazu) und wird dabei von einem Graupapageien unterstützt, der durch einen Todesfall auf einmal herrenlos ist. Wobei man natürlich bei einem vorwitzigen, sprachbegabten Papageien mit einem untrüglichen Gespür für schlechtes Timing nur schwer von einer Unterstützung für Dr. Augustus Huff sprechen kann, der sich sonst stets bemüht, aufsehenerregende Situationen zu meiden.
Das Buch beginnt verhältnismäßig ruhig und ebenso wie Augustus befindet man sich plötzlich in der Untersuchung von Elliots Todesfall.
Man könnte Punkte abziehen für die ersten Seiten, auf denen nicht viel mehr passiert als das Kennenlernen von Augustus Huff. Mir hat das behutsame Herantasten an diese ungewöhnliche Charaktere, sowohl den Doktor als auch den Papageien, gefallen, und auch wenn es kein Krimi der düsteren skandinavischen Sorte oder rasant und voller Action ist, hat Leonie Swann in meinen Augen einen ausgesprochen gelungen Kriminalroman geschrieben. Zudem: Beinahe hätte ich auch gern einen Gray auf meiner Schulter sitzen.

5 von 5 Punkten