Montag, 31. August 2020

Der Herr der Ringe - und Ich

 Oder: Mein Weg nach Mittelerde

Obwohl ich schon, seit ich denken kann, eine begeisterte Leserin von Fantasy-Büchern war, habe ich keinen Zugang zur Welt von "Herr der Ringe" gefunden, als ich jünger war. Vielleicht habe ich damals angenommen, dass man entweder Harry Potter liebt, oder eben Herr der Ringe (was für ein blöder Gedanke). 
Im Studium kam ich dann an den Punkt, dass jede Menge meiner Freunde (große) Fans der Serie waren und ich zumindest endlich die grobe Handlung kennen wollte. Mehr, als dass es um einen Ring geht und Hobbits und Elben und Zwerge, wusste ich nämlich nicht. Also habe ich mir damals die DVDs ausgeliehen und sie angesehen, um wenigstens grob mitreden zu können. Womit ich ja streng genommen sehr gegen meine übliche Haltung spricht, Bücher zu lesen, bevor ich die Verfilmung anschaue. Die Bücher jedoch waren ein ganz anderes Level der Einschüchterung im Vergleich zu diesen auch schon sehr langen, sehr geliebten Filmen. 
Im Grunde war es jedoch gut, dass ich die Filme kannte, denn so stand einem Familien-Kino-Date nichts im Wege, als die Hobbit-Filme Premiere hatten. Was eine kleine wiederkehrende Tradition wurde, denn auch die anderen Filme sahen wir gemeinsam an und versuchten, diese Filme in kleinen, gemütlichen Kinos zu sehen, was wirklich schöne Erinnerungen sind.

 Im Frühjahr 2020 kam dann ein Moment, in dem mehrere Dinge zusammenkamen, vor allem: 
  • Ich bin in die Welt von Bookstagram gerutscht und habe ab und zu festgestellt, dass mit Tolkiens Werk ein absoluter Klassiker der Fantasy-Literatur in meiner "Statistik", meinem Wissen einfach fehlt
  • Ich habe endlich wieder einen Blick auf die Rory Gilmore Lese-Challenge geworfen, die ich ein wenig (oder ziemlich) vernachlässigt hatte - und auch hier ist Tolkien natürlich vertreten
Mein Ehrgeiz war (endlich) geweckt worden. Also habe ich mir das eBook vom Hobbit aus der Bücherei ausgeliehen (und dabei ignoriert, dass ich das Buch sogar im Schrank stehen hatte) und angefangen. Und was soll ich sagen? Ich bin durch die Seiten geflogen. Es hat so wahnsinnig viel Spaß gemacht, es hat das tolle Filmerlebnis vertieft und mich in meiner Entscheidung mehr als bestärkt. Der Hobbit war ein Türöffner, dabei weiß ich, dass ich oft erzählt habe, wie ich als Teenager durchaus in das Buch hineingeschnuppert hatte - und von den ausufernden Beschreibungen abgeschreckt wurde.

Für den Sommer habe ich mir die Herr der Ringe-Ausgaben von meinem Vater ausgeliehen, die komplett coverlos sind, einen kleinen Wasserschaden erlitten haben und nicht einmal ein Erscheinungsdatum verraten. 
Ich kann keine Rezension über diese wunderbaren Klassiker schreiben, weil es nichts gibt, was ich den unzähligen klugen Menschen hinzufügen könnte, die seit Jahrzehnten über den Mittelpunkt von Tolkiens Werk über Mittelerde schreiben. Aber ich möchte sagen, dass ich, nachdem ich gestern die letzte Seite umgeblättert habe, von einer wehmütigen Stimmung erfasst wurde und noch immer der Geschichte hinterher hänge.
Es ist ein Wunder, wie Tolkien mit teilweise so wenigen Sätzen Charaktere erschafft, die einem richtig am Herzen liegen. Wie unfassbar reich und weit seine Welten gehen. Wie viel von Tradition und Lebensweise über die Völker von Mittelerde vermittelt wurde, obwohl sich alle mitten in einem Krieg befanden und wir kaum einmal dem normalen Leben folgen konnten. 
Ich habe ein Stück meines Herzens an diese Bücher verloren, spät genug. Das Schöne ist, dass es so viel mehr von Tolkiens Mittelerde noch zu erkunden gibt, worauf ich mich freuen kann. 

Dienstag, 11. August 2020

» Der Bär und die Nachtigall ; Katherine Arden (Winternacht-Trilogie #1)

"In einem Dorf am Rande der Wildnis, weit im Norden Russlands, wo der Wind kalt bläst und der Schnee viele Monate des Jahres fällt, erzählt die alte Dienerin Dunja den Kindern des Grundbesitzers Pjotr Wladimirowitsch Geschichten über Zauberei, Folklore und den Winterkönig mit den frostblauen Augen. Verbotene Geschichten über eine uralte Magie. Doch für die junge, wilde Wasja sind dies weit mehr als Märchen. Sie allein kann die Geister sehen, die ihr Zuhause beschützen. Und sie allein spürt, dass sich in den Wäldern eine dunkle Magie erhebt .."

Die Handlung

Im hohen, kalten Norden von Rus lebt Pjotr Wladimirowitsch mit seiner Familie. Seine Frau Marina stirbt bei der Geburt ihrer jüngsten Tochter Wasilisa, Wasja genannt, die deshalb unter der Fittiche der alten Dienerin und Kinderfrau Dunja und ihren zahlreichen Geschichten von alten Göttern und Geheimnissen aufwächst. Wasja ist wild und ungezähmt, weshalb ihr Vater, als sie sieben wird, beschließt, wieder zu heiraten, um sie an der Hand einer neuen Mutter erziehen zu können. Doch mit Anna Iwanowna zieht eine fromme, gottesfürchtige Frau in das Haus der Familie ein und die Dinge beginnen sich zu ändern. Einzig Wasja scheint die Hausgeister zu sehen, die das gesamte Dorf schützen. Einzig Wasja kann eine Verbindung zu dieser alten Magie spüren, während ein junger Priester das Dorf auf einen Pfad der Angst führt. Und so ist das Mädchen die Einzige, die die Gefahr wahrnimmt, die aus dem dunklen Wald zu kommen droht...

Die Bewertung

Dieses Buch ist magisch erzählt und erzeugt eine wahnsinnig tolle Atmosphäre. Beinahe spürt man den eisigen Wind des kalten Nordens, wenn man Wasja folgt, die eine mutige und kantige Hauptfigur abgibt, von der man gerne liest. Dabei ist die Geschichte sehr langsam erzählt: Erst im letzten Drittel nahm eine wirkliche Handlung Fahrt auf, bis dahin entwickelten sich an verschiedenen Schauplätzen langsam die Dinge, erzählt aus den Perspektiven der verschiedenen Figuren. Dennoch ist die Geschichte nicht langweilig, denn die Atmosphäre ist so dicht gewebt, dass man mittendrin ist. Dies ist eindeutig der Auftakt zu einer größeren Geschichte und auf der letzten Seite konnte ich es kaum erwarten, das nächste Buch in die Finger zu bekommen. Die Welt voller Mythen und Märchen ist faszinierend und macht auch deshalb den Zauber der Geschichte mit aus. Außerdem sind die Figuren sowohl liebenswert als auch verachtenswert - jede lebendig beschrieben und mit Ecken und Kanten versehen. Die Geschichte ist, so langsam und actionarm, wie sie daherkommt, wie ein russisches Märchen, das beim Feuerschein erzählt wird, bevor einen die Geschichten noch in die Träume begleiten. Und ich habe lange keine Hauptfigur mehr begleitet, die so stark, eigensinnig und furchtlos war wie Wasja.  

4 von 5 Sterne
(und voller Vorfreude auf Band 2!)