Dienstag, 26. Mai 2020

» Darktown ; Thomas Mullen (# 1)

"1948 stellt das Atlanta Police Department die erste Einheit farbiger Polizisten in seiner Geschichte auf. Lucius Boggs und Tommy Smith, gerade erst aus dem Krieg zurückgekehrt, gehören dazu. Als eine junge Frau tot aufgefunden wird und den Fall niemanden weiter zu kümmern scheint, machen sie sich auf die gefährliche Suche nach der Wahrheit."

Die Geschichte

Acht schwarze Polizisten - auf Druck von oben hat sich das Atlanta Police Department gebeugt und
mit diesen acht Männern eine erste farbige Einheit zusammengestellt. Die Befugnisse der Männer reichen nicht weit, vor allem sind sie dazu da, nachts in den farbigen Vierteln Streife zu laufen. Auch sie sehen sich Rassismus und Anfeindungen ihrer weißen Kollegen ausgesetzt und oft genug können sie nichts gegen weiße Polizeigewalt tun. Dennoch stellen sie für die Mehrheit der Schwarzen in Atlanta eine Galionsfigur auf dem Weg zur Gleichberechtigung dar.
Als Lucius Boggs und Tommy Smith die junge, schwarze Frau, die sie vor kurzem in einer nächtlichen Verkehrskontrolle gesehen haben (die natürlich, dank der weißen Polizisten, die aufgrund einer beschädigten Straßenlaterne und der offenkundigen Fahne des weißen Fahrers hinzugerufen werden mussten, ohne Folgen blieb), tot auffinden, können sie nicht wegsehen. Obwohl ihre Berichte gefälscht werden, in denen sie den Namen des Fahrers genannt haben, der zuletzt mit ihr gesehen wurde, obwohl es niemanden zu kümmern scheint, dass eben eine weitere Farbige umgebracht wurde, übertreten Boggs und Smith alle Regeln ihres Berufs und beginnen zu ermitteln. Denn der Fahrer des Wagens ist ein ehemaliger Polizist und dies ist nur ein weiterer Hinweis darauf, wie korrupt und rassistisch das Police Department ist. Unerwartete Unterstützung erhalten die beiden von Dennis Rakestraw, einem jungen weißen Polizisten, der ausgerechnet Detective Dunlow, einem der
lautesten und skrupellosesten der korrupten Streifenpolizisten als Partner zugeteilt wurde.

Die Bewertung

Es ist ein Kriminalroman, wie ich ihn noch nicht gelesen habe. Die besondere Perspektive durch die Stellung von Lucius Boggs mit Tommy Smith als Hauptfiguren auf der einen Seite, deren Befugnisse keine Mordermittlung vorsehen, und der Perspektivwechsel zu Dennis Rakestraw auf der anderen Seite, der mit den brutalen, rassistisch motivierten Vorgehensweisen seines Partners, der offenkundig korrupt und bestechlich ist, nicht einverstanden ist, machen eine besondere Mischung aus.
Thomas Mullen beschreibt schonungslos die Polizeigewalt und den grassiereden Rassismus in Atlanta: Die farbigen Polizisten haben beispielsweise ein eigenes "Revier" in einem Keller zugeteilt bekommen, sie dürfen das eigentliche Polizeirevier nicht betreten und sie dürfen auch außerhalb der Dienstzeiten nicht in ihrer Uniform herumlaufen. Sie finden sich in einem gefährlichen Spannungsfeld zwischen den Schwarzen in Atlanta wieder, die dankbar sind für ihre Hilfe, jenen, deren Machenschaften sie ein Ende machen, und den Weißen, die alles andere als begeistert sind, sich ihre Uniform mit Farbigen teilen zu müssen.
Es war schwierig, dieses Buch zu lesen, weil man sich den Gewalttaten so machtlos gegenüber sieht. Weil man weiß, dass hier eine Handlung beschrieben wird, die 70 Jahre in der Vergangenheit liegt, aber ein Handeln, das noch immer nicht verschwunden ist. Es ist eine dunkle Geschichte, aber mit vielschichtigen, wunderbar beschriebenen Figuren, die einen am Lesen halten, auch wenn man eigentlich die Augen schließen möchte vor dem, was auf den Seiten geschieht. Erst spät im Buch beginnen Boggs und Rakestraw, Informationen auszutauschen, denn naturgegeben ist es eine sehr wackelige Allianz, die sich hier aufbaut. Bis dahin ermitteln zwei Einheiten unabhängig voneinander und beide jenseits ihrer Befugnisse und bringen Informationen zutage, von denen die andere nichts wissen kann.
Dieses Buch hat mich gefesselt und geschockt, nicht losgelassen und bringt Krimis auf eine ganz neue Ebene. Ich bin sehr gespannt auf den zweiten Band!


5 von 5 Punkte

Dienstag, 12. Mai 2020

» Pandatage ; James Gould-Bourn

"Danny Maloony hat es schwer. Ein Glückspilz war er noch nie, aber seitdem seine Frau vor etwas mehr als einem Jahr bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, läuft gar nichts mehr glatt. Sein kleiner Sohn Will hat aufgehört zu sprechen, Danny verliert den Job, und als ihm auch noch sein Vermieter mit Rausschmiss droht, kauft er von seinem letzten Geld ein Pandakostüm, um als Tanzbär Geld zu verdienen. Doch tanzen kann er leider auch nicht ...
Ein Panda steht für Frieden und Freundschaft, aber so weit denkt Danny nicht. Das Kostüm ist ein Ladenhüter und billig, deshalb muss es als Verkleidung herhalten. Ein neuer Straßenkünstler ist geboren. Anfangs macht sich Danny vor allen Dingen lächerlich, aber als sich die Pole-Tänzerin Krystal seiner erbarmt und ihm Tanznachhilfe gibt, klingelt die Kasse so leidlich. Als Pandabär verkleidet beobachtet Danny eines Tages, wie sein kleiner Sohn Will von anderen Jungen schikaniert wird, und schreitet ein. Will fasst Vertrauen in den vermeintlich fremden Panda. Und er spricht."

Die Geschichte

Es ist ein Jahr her, dass Dannys Frau Liz bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Ebenfalls im Auto saß ihr gemeinsamer Sohn Will, der danach im Koma lag und seit seiner Genesung nicht mehr spricht. Will kommt mehr schlecht als recht zurecht - er ist im Rückstand mit der Miete, er dringt nicht zu seinem Sohn durch, er tut nicht viel mehr als wenig schlafen, arbeiten und sich ablenken. Als er vom neuen Chef auf der Baustelle gefeuert wird, steht Will vor einem Scherbenhaufen: Wenn er nicht in zwei Monaten die gesamte rückständige Miete (natürlich mit saftigen Zinsen), dann wird ihm sein Vermieter die Knochen brechen lassen. Tagelang streift Danny durch London, auf der Suche nach einem neuen Job, bis ihm eine (vermeintlich einfache) Lösung präsentiert wird, als er sieht, wie viel Geld die Straßenkünstler in einem Park machen.
Mit dem günstigsten Kostüm, das er bekommen kann - einem etwas müffelndem Pandakostüm - stellt sich Danny in den Park. Und stellt schnell fest, dass er eigentlich nichts kann, was einen Passanten dazu bringen könnte, ihm Geld zu geben. Er hat jedoch keine andere Wahl, als zu tanzen (was er auch nicht kann, aber ihm fällt nichts ein, was er besser könnte, oder was sich für das Panda-Kostüm eignen würde). Seine jämmerlichen Versuche bringen aber immerhin Krystal, eine Stangentänzerin, dazu, ihm zu helfen. Und dann passiert ein Wunder: Als Danny seinen Sohn, verkleidet als Panda, vor den Schulschlägern rettet, die dem nicht-sprechenden Jungen piesaken, spricht Will plötzlich.

Die Bewertung

Der Klappentext des Buchs zieht einen Vergleich zu "About A Boy", was zu den Büchern meiner Schulzeit gehört, die ich wirklich sehr mochte - und (in meiner Erinnerung) auch sehr gut filmisch umgesetzt wurde.
Für mich gibt es hier aber nicht besonders viele Parallelen, dieses Buch hat aber seinen ganz eigenen, zeitweise rührenden Charme und sehr viel Humor. 
Es gibt Figuren, die ein richtiges Klischee sind - Mark, der Schulschläger, der hinter Will her ist und ihm das Leben an der Schule zur Hölle macht, oder Reg, der Vermieter von Danny und Will, der die fehlende Miete mit einem Schläger eintreiben will. Dies wird jedoch wett gemacht durch Danny und Will, durch Mo und auch Krystal, durch die Nebenfiguren der Straßenkünstler und vor allem durch den Humor, der durch den Schreibstil transportiert wird. Danny hat einen trockenen, sehr selbstironischen Humor, der viel Spaß macht und keineswegs die Probleme, die er hat, abmildert. Die Verzweiflung, dass Will nicht mit ihm spricht, während er selbst noch so sehr darunter leidet, dass er seine Frau verloren hat, ist greifbar und erklärt die extreme Entscheidung, sich als Straßenkünstler zu versuchen. Vordergründig geht es natürlich darum, wie Vater und Sohn zueinander finden, eine Beziehung aufbauen, gemeinsam daran arbeiten, ihren Verlust zu verarbeiten. Der Nebenplot, der die Handlung antreibt, macht großen Spaß zu lesen. Ein wirklich liebenswertes Buch!

5 von 5 Punkte

Dienstag, 5. Mai 2020

» Der Kuss der Lüge ; Mary E. Pearson (Die Chroniken der Verbliebenen #1)

"Lia, älteste Tochter im Königshaus Morrighan, lässt ihre Heimat hinter sich, kurz bevor sie mit einem fremden Prinzen verheiratet werden soll. Als einfache Arbeitskraft heuert sie in einer Taverne an, wo sie zwei Männer kennenlernt, die sofort ihre Aufmerksamkeit erregen. Was sie nicht weiß: Beide sind auf der Suche nach ihr. Einer wurde ausgesandt, die Königstochter zu töten. Und der andere ist ausgerechnet jener Prinz, den sie heiraten sollte. Schnell fühlt sich Lia zu beiden hingezogen ..."

Die Geschichte

Kurz bevor Prinzessin Lia als Erste Tochter des Königreichs Morrighan an den Prinzen des Königreichs Dalbreck verheiratet werden soll, um die gespannte Beziehung in eine Allianz zu verwandeln, flüchtet sie mit ihrer Freundin Pauline. Sie will ihre Zukunft nicht aus politischen Gründen für eine Ehe hergeben mit einem Mann, den sie noch nie gesehen hat. Auf dem Weg in die Küstenstadt Terravin verwischen die jungen Frauen ihre Spuren, und schließlich beginnt Lia an ihrem Ziel als Schankmädchen zu arbeiten.
Als zwei Fremde eines abends die Schenke betreten, ahnt Lia nicht, dass es sich bei ihnen um zwei junge Männer handelt, die aus sehr unterschiedlichen Motiven in Terravin aufhalten, aber nur ihretwegen gekommen sind: Der eine ist der Prinz aus Dalbreck, der, neugierig auf die Frau, die ihn vor dem Altar hat stehen lassen, einen Blick auf sie werfen will. Der andere ist ein Attentäter, geschickt um die versteckte Prinzessin zu töten. Doch am Ende erfüllt keiner seine Mission, wie sie es eigentlich geplant hatten.

Die Bewertung

Das Buch, Teil 1 der Chroniken der Verbliebenen, liest sich ausgesprochen angenehm, flüssig und beinahe wie in einem Rutsch.
Leider sehe ich in diesem Buch sehr viel verpasstes Potenzial: Die Geschichte wird voran getrieben von der Entscheidung des Attentäters, Lia entgegen seines Auftrags nicht zu töten - und dies ist für mich in der Geschichte nicht zu begründen, wenn man nicht davon ausgeht, dass eine unerklärliche Anziehung von Lia ausgeht (die der Prinz übrigens ebenso spürt, denn auch er versucht, ihr näherzukommen). Ein klassischer Fall von Insta-love, und auch noch gepaart mit einem Love Triangle... Mir wurde die Welt beim Lesen kaum klar: Es gibt die Königreiche Morrighan und Dalbreck, und es gibt Vagabunden, die aus (unerklärlichen?) Gründen der Feind sind. Die Ersten Töchter des Königreichs sollen mit der Gabe der Vorhersehung gesegnet sein, die Lia aber nicht zu haben scheint - was auch immer diese Gabe jedoch ausmacht, sie scheint aus ihr eine Gefahr zu machen, die groß genug ist, einen Attentäter zu rechtfertigen, nachdem sie auf die Ehe und ihre königlichen Ansprüche bereits verzichtet hat - für mich unlogisch. Bis zum Ende ist mir zudem nicht klar geworden, wer die "Verbliebenen" sind, die immerhin der Serie ihren Titel geben.
Insgesamt ist auf diesen über 500 Seiten auch nicht allzu viel passiert, was zwar aufgrund des schon angesprochenen flüssigen Stils beim Lesen nicht schlimm war, eben aber auch nicht dafür sorgt, dass ich besonders neugierig auf die Folgebände bin - ich habe am Ende immer noch keine Ahnung gehabt, worum es in den Büchern geht, was das große Ziel ist, was die Motivation des Attentäters und seiner Kumpanen angeht... Daran ändert leider auch das offene Ende nichts. 

2 von 5 Punkte

Sonntag, 3. Mai 2020

» Miracle Creek ; Angie Kim

"In der Kleinstadt Miracle Creek in Virginia geht ein Sauerstofftank in Flammen auf. Zwei Menschen sterben – Kitt, die eine Familie mit fünf Kindern zurücklässt, und Henry, ein achtjähriger Junge. Im Prozess wegen Brandstiftung und Mord sitzt Henrys Mutter Elizabeth auf der Anklagebank. Und die Beweise sind erdrückend. Hat sie ihren eigenen Sohn ermordet? Während ihre Freunde, Verwandten und Bekannten gegen sie aussagen, wird klar: In Miracle Creek hat jeder etwas zu verbergen."

Die Geschichte

Elizabeth Ward ist angeklagt, einen Sauerstofftank einer Anlage für hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) in Brand gesteckt zu haben - während eine Therapiesitzung lief, an der ihr autistischer Sohn Henry teilgenommen hat. Als die Anlage in Flammen aufgegangen ist, ist nicht nur Henry ums Leben gekommen, sondern auch Kitt, die Mutter eines der anderen teilnehmen Kinder, und weitere Personen werden schwer verletzt.
Ein Jahr nach dem Unglück startet der Prozess und sowohl Pak Yoo, der Betreiber der HBO-Anlage, als auch Matt, der als einziger erwachsener Patient teilgenommen hat, gehören zu den ersten, die aussagen. Schnell wird klar, dass die betroffenen Personen nicht nur alle noch immer auf unterschiedlichste Weise an den Geschehnissen leidern, sondern auch so einige Geheimnisse verbergen. Und wie sonst auch hatte jeder von ihnen eine ganz eigenen Blick auf das, was vor einem Jahr passierte...

Die Bewertung

Das Buch wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, von jenen Personen, die am Brand beteiligt waren: Elizabeth, Pak Yoo sowie seine Frau und Tochter oder Matt. Obwohl ich normalerweise kein großer Fan von vielen Perspektiven bin, hat es hier ganz und gar seinen Zweck erfüllt: Es hat nicht nur Puzzleteil für Puzzleteil enthüllt, was rund um den fatalen Brand geschehen ist, Angie Kim schafft es dadurch auch, dass man in den Kapiteln, ob selbst gewollt oder nicht, an die Wahrheit dessen glaubt, was die Personen erlebt haben oder Partei für sie ergreift, obwohl man möglicherweise noch wenige Seiten vorher davon überzeugt war, dass es anders ist. Seite für Seite enthüllen die Zeugenaussagen und Erinnerungen, was damals tatsächlich passiert ist - und doch bleibt bis fast zum Schluss offen, wer für den Brand wirklich verantwortlich war. 
Für mich blieben am Ende ein paar letzte Fragen offen, auch wenn mir gefallen hat, dass es nach allem, was geschehen ist, für die Figuren kein "Happy End" gibt, sondern nicht nur Strafen aus dem Rechtssystem, sondern auch Wunden, die nicht so schnell verheilen.

4,5 von 5 Punkte